Thorsten Havener knackte den Körpersprache-Code
Ihm kann man wirklich nichts vormachen. Wenn das Augenlid kurz zuckt, die Hand nervös am Daumen dreht, ein verlegenes Lächeln über die Lippen huscht, die Hand nervös am Ohr kratzt oder die Füße in einer bestimmten Richtung stehen, dann hat Thorsten Havener seinen Gegenüber längst durchschaut. Er weiß sofort, wohin es dann in die Ferien geht oder ob die hübsche Blondine ihren Mann betrügt. Das „angehende Weltwunder“ (SZ) des Körperlesens war sich nicht zu schade, statt vor einem Millionenpublikum im TV oder in ständig ausverkauften Kongresshallen auch im kleinen Lohndorf anlässlich des „Kulturherbst Ellertal“ der SPD aufzutreten. „Ich weiß, was du denkst“, kündigte er in seinem Programm an. Und er behielt Recht...
Auf dem Flyer der SPD-Veranstaltung „Kulturherbst Ellertal“ war Havener auf der Titelseite abgebildet. Als Künstler kam er nach dem Motto „Das Beste kommt zum Schluss“ als Letzter der achtteiligen Eventreihe der umtriebigen Sozialdemokraten. Warum sich ein Künstler, der über eine Million Bücher verkauft hat und der in Talkshows Größen wie Johannes B. Kerner, Stefan Raab oder Ina Müller mit seinen unglaublichen Effekten sprachlos machte, in den altehrwürdigen Saal der Brauerei Reh in Lohndorf „verirrte“, das erklärte Kulturmacher, Basketball-Ikone und SPD-Ratsherr Wolfgang Heyder eben mit der ganz speziellen Atmosphäre dieses Saals. Viele Künstler würden darum für eine geringere Gage spielen, als sie sonst nehmen würden.
Ob das auch Havener zutraf, war seinem Gesicht nicht abzulesen. Heyder konnte jedenfalls mehr als zufrieden Bilanz ziehen: Sieben von acht Veranstaltungen waren, zum Teil schon nach zwei Tagen, komplett ausverkauft. Über 1 500 Besucher strömten im diesjährigen „Kulturherbst Ellertal“ in die alten Tanzsäle der Brauereien Hönig in Tiefenellern und Reh in Lohndorf. Die Erfolgsgeschichte, die Anton Söhnlein vor rund 13 Jahren für „seine“ SPD zu schreiben begonnen hatte, scheint auch unter seinem Nachfolger Heyder ihre Fortsetzung zu finden. Heyder bedankte sich ausdrücklich bei den zahlreichen ehrenamtlichen Helfern seiner Partei, ohne die der „Kulturherbst“ nicht zu stemmen sei...
Dann zelebrierte Havener mit dem Charme eines Boygroup-Leaders die hohe Kunst der Körpersprache. Seine umjubelte Show in Lohndorf war eine Mischung von Zauberkunst, Illusionen, Manipulationen, Hypnose, Illusionen, Emotionen, ganz viel Psychologie und vor allem von Lesen und Deuten von Gesichts- und Körpersignalen. Dabei spielte er mit dem Publikum, forderte es heraus, verunsicherte es, animierte es und bezog es ganz offensiv in sein Programm ein.
Pensionist Adi, „mal in einem großen bayerischen Sicherheitsunternehmen tätig“, war Haveners erstes Opfer. Der frühere Polizist sollte sich entscheiden, ob er eine Schere, eine Schlange, eine Waffe, ein Feuerzeug oder einen Feuerlöscher durch den Zoll schmuggeln wolle. Obwohl er seine Entscheidung dem Körpersprache-Magier nicht mitteilte, erkannte dieser Adis mentales Schmuggelgut sofort – es war die Schere! Der verblüffte Schmuggler revanchierte sich mit einem anerkennenden Boxhieb in die Seite des Körpersprachen-Stars. Auch einer dieser non-verbalen Signale, die laut Havener so viel über einen Menschen verraten...
Und wie dem perplexen Adi erging es vielen Anderen. Havener erkannte durch Handauflegen Reiseziele, Reisemittel und Reisedauer seiner Bühnengäste, überführte mit der kürzesten Ermittlung in der Kriminalgeschichte einen fiktiven Mörder und identifizierte aus einer Gruppe von fünf Personen auch noch das potentielle Opfer, den Zeugen, den notorisch verdächtigen Gärtner und die Affäre, ohne dass die Mitspieler ihre angedachten Rollen ihm vorher verraten hatten. Auch dass eine Frau aus 70 verdeckten Polaroid-Fotos ausgerechnet das Fotos ihres Liebsten auswählte, gehörte zu den größten Geheimnissen Haveners.
Zurück blieben an diesem stimmungsvollen und spannenden Abend eine Erkenntnis und eine Frage. Noch nie hatte die Dechiffrierung des Körpersprache-Codes so viel Spaß gemacht! Und: Verdammt noch mal - wie hat der Havener das bloß gemacht?
Thomas Pregl
